Physikerin des Monats
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Jänner 2025
Ingrid Krumphals, Professorin für Fachdidaktik Physik an der PH Steiermark
Über mich und meine Arbeit
Bereits seit früher Kindheit interessierte mich stets die Frage – Warum? Durch meine Neugier und mein häufiges Nachfragen war auch mein Umfeld oft damit konfrontiert und nicht selten in Erklärungsnot. Dieses Ziel, die Natur zu verstehen und es dann anderen erklären zu können, brachte mich schlussendlich auch zum Physiklehramtsstudium. Nach einigen Jahren der Unterrichtstätigkeit und des Doktoratsstudiums schlug ich den Weg in die Wissenschaft ein und bin nun Professorin für Fachdidaktik Physik.
Ich beschäftige mich also konkret damit, wie Physik am besten gelernt und gelehrt werden kann, insbesondere wie Inhalte der Physik verständlich, spannend und lernwirksam vermittelt werden können. Durch meine Forschung möchte ich dazu beitragen, die Bildungslandschaft positiv weiterzuentwickeln, damit junge Menschen besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet sind.
Für mich steht besonders die Förderung von Future Literacy – der Fähigkeit, sich aktiv auf zukünftige Entwicklungen vorzubereiten – und Scientific Literacy – der Fertigkeit, wissenschaftlich zu denken und fundierte Entscheidungen zu treffen – im Mittelpunkt. Diese beiden Fähigkeiten sind unverzichtbar, um in einer sich rasant wandelnden Welt sicher und eigenständig zu handeln. Ich bin überzeugt, dass Bildung der Schlüssel ist, um eine nachhaltige, gerechte und gute bzw. bessere Zukunft für alle zu ermöglichen.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Chancengleichheit ist meiner Meinung nach erreicht, wenn wir aufgehört haben, in Unterschieden zu denken, und Gleichheit endlich als selbstverständlich leben. Statt uns auf die Unterschiede von Menschen in ihren Diversitätsdimensionen (wie z.B. Geschlecht, Herkunft, Ethnie) zu konzentrieren, sollten wir uns darauf fokussieren, was uns als Menschen verbindet. Eine inklusive Kultur beginnt dort, wo wir Vielfalt als Stärke sehen, nicht als Herausforderung.
Ein Satz, der mich besonders inspiriert, stammt von Ursula von der Leyen:
„Wenn wir alle Talente einbeziehen, können wir das Unmögliche möglich machen.“
Um Chancengleichheit im Bereich der Physik zu fördern, braucht es nicht nur Role Models, also sichtbare Vorbilder, die zeigen, dass Physik für alle da ist. Es braucht die gesamte Gesellschaft: Z.B. Radio- oder Fernsehmoderator:innen, die positiv über Physik (und MINT-Fächer) sprechen und das Interesse wecken, anstatt Physik als schwierig zu titulieren; Eltern, die ihre Kinder dazu ermutigen, ihrer natürlichen Neugier auf die Welt zu folgen und Physik als etwas Spannendes und vor allem Hilfreiches zu entdecken; und einfach alle Menschen, die Physik nicht als etwas Abstraktes oder Schweres sehen, sondern ihr zumindest mit einer offenen, neutralen Haltung begegnen. Diese kollektive Unterstützung schafft eine Atmosphäre, in der junge Menschen ermutigt werden, ihren eigenen Weg zu gehen – unabhängig von Stereotypen oder Vorurteilen.
Ich habe selbst erlebt, wie wichtig es ist, Chancengleichheit nicht nur zu fordern, sondern aktiv zu leben – und zwar von klein auf. Es beginnt in der Erziehung, im Unterricht und in alltäglichen Begegnungen, in denen wir Kinder und Jugendliche dazu ermutigen, über den „sozialisierten Tellerrand“ hinauszuschauen. Wir sollten alle ermutigen, Chancen nicht nur zu sehen, sondern sie auch zu nutzen und zu leben.
Besonders in meiner Position als Frau in einer Führungsrolle habe ich gelernt, dass wahre Stärke darin liegt, andere zu fördern und Raum für neue Perspektiven zu schaffen. Chancengleichheit bedeutet, allen Menschen nicht nur den Zugang zu ermöglichen, sondern auch den Mut zu geben, ihren eigenen Weg zu gehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, bewusst andere Diversitätsdimensionen mitzudenken: Herkunft, Geschlecht, soziale Hintergründe oder individuelle Lebensumstände. Wir alle haben die Verantwortung, diese Vielfalt als Bereicherung zu begreifen.
„Diversity drives innovation – without it, we lose out on the perspectives that can change the world.“ – Megan Smith
Ingrid Krumphals ist Professorin für Physikdidaktik und Leiterin des Zentrums für fachdidaktische Forschung in der naturwissenschaftlich-technischen Bildung an der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Wenn Sie mehr über sie und ihre Arbeit erfahren möchten, hier der Link zu ihrer Website sowie hier der Link zum NATech-Zentrum.
Dezember 2024
Gemma de les Coves, Assoz.-Professorin für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck
Über mich und meine Arbeit
Ich bin assoziierte Professorin am Institut für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck. Ich arbeite daran, die Reichweite einiger Formen von Universalität und Unerreichbarkeit in der Physik, Mathematik, Informatik und darüber hinaus zu verstehen, einschließlich einiger philosophischer Probleme. Ich habe mich auch mit mathematischer Physik und Quanteninformation beschäftigt.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Ich habe das Glück, in einer Zeit zu leben, in der eine Revolution stattfindet, die versucht, die historisch bedingte Asymmetrie zwischen Männern und Frauen in ihren sozialen Rollen umzukehren. Diese Revolution ist zerbrechlicher als sie scheint, und es liegt an uns allen, sie mit allen möglichen Maßnahmen am Leben zu erhalten. Ich bin mir auch bewusst, dass dies leider nicht überall auf der Welt geschieht, was ein noch größerer Grund ist, für sie zu kämpfen.
Wenn Sie mehr über Gemma de les Coves und ihre Arbeit erfahren möchten, hier der Link zur ihrer Arbeitsgruppe sowie hier der Link zu ihrer persönlichen Website.
November 2024
Hemma Bieser, Vorständin OurPower Energiegenossenschaft
Über mich und meine Arbeit
Nach meinem Physikstudium an der TU Wien habe ich festgestellt, dass mich neben der Technik und Wissenschaft auch die Arbeit mit Menschen sehr fasziniert. Nach einigen Jahren in meiner eigenen Innovationsagentur haben wir 2018 gemeinsam mit 19 Gründer:innen die OurPower Energiegenossenschaft ins Leben gerufen, bei der ich seit 2022 auch Vorständin bin. Als Physikerin ist es mir wichtig, das große Ganze zu verstehen, zu begreifen, Visionen zu entwickeln und gemeinsam mit meiner Crew ein ganz neues Modell für eine nachhaltige Energiewirtschaft aufzubauen. Im Studium habe ich gelernt, komplexe Fragestellungen zu lösen – das hilft mir jetzt in meiner täglichen Arbeit.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Auch in der Energiebranche sind wir noch weit von Gleichstellung und Gleichberechtigung der Frauen und Männer entfernt. Meiner Erfahrung nach braucht es strukturelle Änderungen an den Universitäten und in der Wirtschaft. Es ist wichtig, schon sehr früh Mädchen für Physik und Technik zu begeistern. Das gelingt sehr gut z. B. mit Role Models. Also Frauen, die schon Karriere gemacht haben und bereit sind, darüber zu berichten und junge Mädchen zu ermutigen. An den Unis und in den Unternehmen gibt es schon viele gute Beispiele, wie Chancengleichheit gelingen kann. Bei Job-Ausschreibungen bewusst eine gender-neutrale Sprache verwenden. Ein Arbeitsumfeld schaffen, das die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie fördert. Bei Stellenbesetzungen bewusst Frauen stärken und ermutigen, dass sie sich bewerben. Und ganz wichtig finde ich Mentoring-Programme, die in Amerika selbstverständlich sind, bei uns jedoch noch immer eine Seltenheit.
Wir erleben immer wieder, das ganz wesentliche Entscheidungen in reinen Männergremien getroffen werden, sei es in der Politik, in Unternehmen oder auch an den Universitäten. Meine Erfahrung hat mir gezeigt – und es gibt auch wissenschaftliche Studien dazu – dass Entscheidungen anders ausfallen, wenn auch Frauen mit am Verhandlungstisch sitzen. Für die Energiewende fordern wir deshalb, dass bei allen wesentlichen Entscheidungen, die die Energieversorgung der Zukunft betreffen, Frauen und Männer gleichberechtigt mit am Tisch sitzen.
Wenn Sie mehr über Hemma Bieser und ihre Arbeit erfahren möchten, hier der Link zur OurPower Energiegenossenschaft.
Oktober 2024
Sarah Lindner, Physikerin an der Universität Graz
Über mich und meine Arbeit
Ich arbeite im Rahmen einer Postdoc Stelle in Graz in der Forschungsgruppe „Optik von Nano- und Quantenmaterialien“, wo ich Einzelphotonenemitter, nämlich Farbzentren in Diamant, mit strukturiertem Licht anrege, um die Erkenntnisse zu deren Lumineszenzeigenschaften zu erweitern. Darüber hinaus plane ich, die etablierten Methoden zur Kopplung von Silizium-Fehlstellenzentren in Nanodiamanten an Wellenleiter zu nutzen.
Ob Sie es glauben oder nicht – das prägendste Erlebnis für meine Karriere hatte ich in meiner frühen Kindheit. Damals studierte mein Papa Physik in Graz. Eines Tages nahm mich meine Mama mit, um meinen Papa nach der Vorlesung abzuholen. Während ich wartete, sah ich auf dem Campus ein Experiment, das mein Verständnis der Welt auf den Kopf stellte. Da war ein Zylinder, der scheinbar eine Rampe hinaufrollte, anstatt hinunter! Ich fragte meine Mama, wie das sein kann, und sie antwortete: „Um das zu verstehen, musst du Physik studieren wie dein Papa.“ Und das tat ich, etwa 15 Jahre später, immer noch neugierig, wie die Welt funktioniert.
Ich schrieb meine Diplomarbeit in experimenteller Teilchenphysik in Heidelberg, angetrieben von meinem Interesse an Fortschritten in der subatomaren Physik. Diese Forschung erwies sich als sehr spannend, allerdings vermisste ich die hands-on Laborarbeit.
Also beschloss ich, meiner anderen beruflichen Leidenschaft zu folgen, nämlich der Optik. Ich promovierte an der Universität des Saarlandes, wo ich mit Quantenemittern arbeitete. Diese sind von grundlegender Bedeutung, da sie als Bausteine für verschiedene Anwendungen dienen können, z. B. Quantencomputer und Quantenmetrologie. Nun kombiniere ich meine Expertise in der Quantenoptik mit der Expertise dieser Gruppe im Bereich strukturiertes Licht .
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Meiner Meinung nach gibt es zwei Wendepunkte: Der eine wird in der Kindheit gelegt, wo die Geisteshaltung geprägt werden kann, dass Mädchen und Buben sich für die gleichen Dinge interessieren können. Der andere später, wenn eine Frau, die sich für Physik interessiert, diesen Beruf weiterverfolgen möchte.
Als Mutter eines kleinen Kindes bin ich schockiert, dass es so viele, mehr oder weniger subtile Richtlinien gibt, was für ein Mädchen oder einen Buben angemessen ist. Und ich spreche noch nicht einmal von blauer und rosa Kleidung: Es gibt immer noch so viele Kinderbücher, die traditionellen Rollenmodellen folgen, wie: Mama kocht; Kind findet Papas Werkzeugkasten; Mama bleibt mit Kind im Krankenhaus, wo sie von einem männlichen Arzt und einer Kolonie weiblicher Krankenschwestern betreut werden und Papa schaut abends vorbei; ein Buch über Space Shuttles, in dem nur Männer vorkommen... Es ist kein Wunder, dass sich diese Bilder über die vielen Jahre in die Gehirne einprägen. Ein großes Dankeschön an alle Autoren und Autorinnen von Medien für Kinder, die zeigen, dass andere Konzepte möglich sind, macht weiter so!
Als Physikerin an einer Universität bemerke ich positive Veränderungen, um Frauen in der Wissenschaft zu halten. Ein Beispiel ist die Berücksichtigung des „Berufsalters“ (d. h. der Dauer in der Wissenschaft, also z.B. ohne Elternzeit) bei der Beantragung von Projektanträgen u.ä. Die Kinderbetreuung endet jedoch nicht, wenn das Kind in die Kinderkrippe kommt. Ich denke, ein Modell wie die gemeinsame Leitung, bei der sich zwei Personen eine Position teilen und in der Wissenschaft auch die evaluierten Forschungsergebnisse, könnte ein Weg zur Etablierung einer Kultur sein, in der es möglich ist, eine akademische Karriere zu verfolgen und ein weniger stressiges Familienleben zu führen – sowohl für Mütter als auch für Väter.
Wenn Sie mehr über Sarah Lindner und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zu ihrer Arbeitsgruppe.
September 2024
Patricia Palacios, Universitätsdozentin für Philosophie der Physik an der Universität Salzburg
Über mich und meine Arbeit
Ich bin Universitätsdozentin für Philosophie der Physik an der Uni Salzburg. In meiner Forschung beschäftige ich mich mit den Grundlagen der Physik. Ich stelle Fragen, wie zum Beispiel: "Was ist die Beziehung zwischen verschieden Physikalischen Theorien, wie die Newtonsche Mechanik und die Relativitätstheorie? Was können wir von Gedankenexperimente lernen, vor allem in der Physik der Schwarzen Löcher? Was ist die Rechtfertigung für die Anwendung der Physik in anderen Bereichen, insbesondere Biologie und Politikwissenschaft?" Als ich in Chile (mein Heimatland) Physik studiert habe, habe ich mir immer Fragen zur Berechtigung der Annahmen in den physikalischen Theorien gestellt und dass hat mich eventuell zu Philosophie der Physik gebracht: einer Disziplin, die wissenschaftliche und philosophische Neugier vereint.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Ich glaube, dass man die Leidenschaft der Mädchen zur Wissenschaft bereits in der Kindheit durch Spielzeug und Aktivitäten wecken könnte, die sich normalerweise an Jungen richten. Später halte ich es für entscheidend, Frauen in verschiedenen Formen zu unterstützen: Mehr Tenure-Track-Stellen für Wissenschaftlerinnen anzubieten, damit sie ermutigt werden, in der Wissenschaft zu bleiben; Flexibilität am Arbeitsplatz, damit sie Zeit mit ihren Familien verbringen können; Und Unterstützung bei akademischen Veranstaltungen, insbesondere für neue Mütter; Entscheidend ist auch die Unterstützung im privaten Bereich, insbesondere durch Partner, Verwandte und Freunde.
Ich bin selbst Mutter von zwei kleinen Töchtern und obwohl ich zugebe, dass es nicht immer einfach ist, Mutterschaft und akademischen Beruf miteinander zu vereinbaren, ist es möglich, wenn genügend Unterstützung vorhanden ist. Zum Beispiel, als neue Mutter habe ich meine Kinder oft zu verschiedenen Veranstaltungen mitgenommen, darunter nach Harvard (US), Santa Fe (US) und Bristol (UK). Das war nur möglich, weil ich die Unterstützung von Familienmitgliedern hatte, die mit mir reisen konnten. Eine wichtige Ausnahme bildete das Max-Planck-Institut in Stuttgart, das während meiner gesamten Reise die Kosten für die Kinderbetreuung übernahm. Ich glaube, solche Maßnahmen sollten für Akademikerinnen häufiger zu Verfügung stehen.
Patricia Palacios ist Mitbegründerin und derzeit gewählte Equity-Diversity-Inclusion-Beauftragte der internationalen Philosophy of Physics Society (Link). Wenn Sie mehr über sie und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zu ihr Website.
August 2024
Margherita Matzer, Physikerin bei WIVA P&G
Über mich und meine Arbeit
Ich bin Physikerin und war viereinhalb Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der JKU Linz tätig. Seit gut zwei Jahren arbeite ich als Verbundkoordinatorin bei WIVA P&G. Das ist ein Verein zur Förderung von Forschung und Entwicklung in den Bereichen der Anwendungs-, Netz- und Speichertechnologien von Wasserstoff und erneuerbaren Gasen sowie Maßnahmen zur Dissemination dieser Aktivitäten. In meiner Tätigkeit darf ich innovative Projekte, die unterschiedlichsten Fachbereiche betreffen, begleiten und vorantreiben. Meine Arbeit ist sehr vielschichtig, von administrativer Büroarbeit zur fachlichen Einschätzung der Projekte bis hin zu Netzwerkaktivitäten und Vorträgen ist alles dabei.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Um Chancengleichheit in der Physik zu erreichen, werden oft Präventivmaßnahmen in den Schulen vorgeschlagen, die dafür sorgen sollen, dass mehr Frauen mit dem Physikstudium anfangen. Das ist, in meinen Augen, zwar eine wunderbare Maßnahme, um mehr Frauen in die Physik zu bekommen, aber leider keine, um die Chancengleichheit zu erreichen. In dem Moment, wo eine Frau eine technisch-naturwissenschaftliche Fakultät betritt, wird sie mit unpassenden Witzen, herabwürdigende Kommentare, unfairer Beurteilung und Erschwerung des Weiteren beruflichen Vorankommens konfrontiert. Um den entgegenzuwirken, müssen Gleichstellungsabteilungen mit einer rektoratsunabhängigen Handlungsbefugnis einrichten und ausstatten werden.
In meiner Kindheit und Jugend bin ich von Chancenungleichheit so gut es in unserer Gesellschaft eben möglich ist, verschont geblieben. Erst als ich an die Universität kam, bekam ich das volle Ausmaß vor geschlechterspezifischen Chancenungleichheit zu spüren. Neben unpassenden Kommentaren von Kollegen, Kursleitern und Vorgesetzten, ungleicher Leistungsbenotung und sexistischen Vortragsfolien hat mich aber vor allem die ungleiche Behandlung in einer der Forschungsgruppen, in denen ich gearbeitet habe, schockiert.
Wenn Sie mehr über Margherita Matzer und ihre Arbeit erfahren möchten, hier der Link zur Vereinswebsite.
Juli 2024
Esmeralda Campos, Physikdidaktikerin an der Universität Wien
Über mich und meine Arbeit
Ich bin Postdoktorandin am Austrian Educational Competence Centre Physics (AECC-P) der Universität Wien. Ich komme ursprünglich aus Mexiko, wo ich einen Bachelorabschluss in Technischer Physik und ein Doktorat in Bildungsinnovation absolviert habe. Mein Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Verständnis von Schüler*innen für abstrakte Konzepte von Elektrizität und Magnetismus unter Verwendung verschiedener Darstellungen. Außerdem beteilige ich mich an Forschungsprojekten, die sich mit der Einbeziehung aller Geschlechter in MINT-Bereichen beschäftigen.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
In einem Forschungsprojekt haben wir herausgefunden, dass es für die Chancengleichheit von Frauen in der Physik und im Ingenieurwesen auf Universitätsebene wichtig ist, dass die Universitäten ihre Anziehungs- und Bindungsprozesse verbessern. Dies kann erreicht werden, indem man die Sichtbarkeit von Frauen in MINT-Bereichen erhöht und Mentoring-Programme für Frauen anbietet, die Physik und andere MINT-Studiengänge studieren.
Als junge Physikstudentin hörte ich oft Kommentare wie: "Du brauchst nicht für die Prüfung zu lernen, zieh einfach etwas Aufreizendes an". Damals habe ich auf diese Kommentare nicht reagiert, weil ich versuchte, mich in einem von Männern dominierten Bereich anzupassen. Im Nachhinein sehe ich, wie beleidigend diese Kommentare waren und dass ich mein Verhalten ändern würde, um solche Kommentare zu vermeiden. Universitäten müssen sichere Räume für alle sein. Um dies zu erreichen, liegt es in der Verantwortung der Gesellschaft (als Ganzes), nicht nur der Frauen.
Wenn Sie mehr über Esmeralda Campos und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zur Institutswebsite.
Juni 2024
Yoojin Oh, Physikerin am Institut für Biophysik an der JKU Linz
Über mich und meine Arbeit
Meine Forschung konzentriert sich auf nanometrische Eigenschaften von Biomaterialien (Proteine, Bakterien, Biofilme, Oxidmaterialien für Bioanwendungen), die die Anwendung einer ganzen Reihe von nanoskopischen und mikroskopischen Techniken erfordern (Rasterkraftmikroskopie, elektrostatische Kraftmikroskopie, optische Nahfeld-Rastermikroskopie und Fluoreszenzmikroskopie). Ich habe mehrere mikrobielle Systeme mit Methoden der Einzelmolekül-Biophysik untersucht, um schließlich interdisziplinäre Forschung zu etablieren, indem ich Biophysik, Physik der kondensierten Materie, verschiedene mikroskopische Techniken, Softlithographie und Mikrobiologie miteinander verband.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Bei meiner Promotion an einer Frauenuniversität habe ich nicht viel über die Gleichstellung der Geschlechter in der Physik nachgedacht. Aber als ich als Postdoc im Ausland arbeitete, wurde mir klar, dass die Physik eine Männerdomäne ist. Gemeinsame Forschungsarbeiten machten die Unterschiede im Geschlechterverhältnis deutlich. Um Gleichberechtigung zu erreichen, bedarf es gleicher Ausgangsbedingungen, doch das ist heute eine Herausforderung. Die Förderung einer geschlechtsneutralen Ausbildung, die Bekämpfung von Vorurteilen und die Einführung unterstützender Systeme wie familienfreundliche Maßnahmen und Mentoring-Programme sind von entscheidender Bedeutung. Die Aufrechterhaltung langfristiger Programme für Wissenschaftlerinnen wird die Möglichkeiten verbessern und die Vielfalt und Inklusion auf dem Weg zur Gleichstellung fördern.
In den letzten 20 Jahren haben erhebliche Anstrengungen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft dazu geführt, dass die Zahl der weiblichen Physikstudentinnen sowie die Zahl der PIs gestiegen ist. Dennoch sind Probleme wie mangelnde Beteiligungs- und Präsentationsmöglichkeiten, Schwierigkeiten beim Übergang in die berufliche Laufbahn, Ungleichgewichte bei der Forschungsfinanzierung sowie geschlechtsspezifische Diskriminierung und Voreingenommenheit nur einige der Ungleichheiten, die nicht nur Einzelpersonen, sondern auch viele Forscherinnen erfahren. Es sind kontinuierliche Anstrengungen erforderlich, um diese Probleme anzugehen.
Wenn Sie mehr über Yoojin Oh und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zur Institutswebsite.
Mai 2024
Julia Weratschnig, Astrophysikerin bei der VEGA Sternwarte Haus der Natur in Salzburg
Über mich und meine Arbeit
Ich habe an der Universität Innsbruck Physik studiert und im Bereich Astrophysik meine Doktorarbeit geschrieben. Seit 2019 arbeite ich als Kuratorin/Pädagogin für Astronomie am Haus der Natur in Salzburg. Im Rahmen meiner Arbeit leite ich die VEGA-Sternwarte Haus der Natur, plane und entwerfe Material für Führungen und Workshops und halte diese auch. Ebenso organisiere ich Fortbildungen und Konferenzen auf der Sternwarte und bin als Astronomin in die Ausstellungsplanung von Raumfahrt- und Astronomie bezogenen Bereichen im Museum tätig.
Diese Arbeit ist für mich ein Traumjob: Als Astrophysikerin bin ich ein absoluter Wissenschaftsnerd und liebe seit meiner Kindheit Naturwissenschaftliche Museen - in einem zu arbeiten macht mir unglaublich viel Freude: Ich werde dafür bezahlt, den ganzen Tag über Astronomie nachzudenken und darüber zu berichten. Zusätzlich ist ein Museum eine unglaublich inspirierende Arbeitsumgebung: bereits beim Mittagessen mit Kollegen kann man immer wieder etwas Neues lernen. Am erfüllendsten sind astronomische Führungen und Workshops auf der Sternwarte mit Schulklassen. Es ist kaum zu glauben, welche tiefschürfenden Fragen zum Thema Astronomie von den Teilnehmern kommen. Für mich persönlich ist dies ein Anreiz, diese Neugier so gut ich kann zu unterstützen und zu fördern, da das Interesse für Naturwissenschaften ja mit zunehmendem Alter leider oft absinkt. Nach einem Gespräch mit einer Zehnjährigen zu hören „Das ist so cool, ich würde am liebsten selbst Astronomin werden!“ ist für mich das schönste Lob.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Was mich immer wieder traurig macht ist der Stolz, mit dem manche Erwachsene von sich behaupten, dass sie Mathe und Physik noch nie mochten und nicht verstehen, wieso jemand sich freiwillig damit beschäftigt: mit jenen Kulturgütern, welche unser tägliches Leben so oft verbessern! Ich denke deshalb ist ein wichtiger erster Schritt, diese Grundeinstellung der Allgemeinheit zu ändern. Mir erscheint diese Ablehnung nämlich fast angelernt zu sein: viele junge Kinder sind unglaublich wissbegierig und hören gar nicht auf, über Dinosaurier, Flugzeuge oder schwarze Löcher zu lernen.
Ich bin in der glücklichen Lage, Astrophysik „unterrichten“ zu dürfen, ohne dass ein Noten- oder Leistungsdruck dahintersteckt. Nachdem ich selbst einige Jahre lang an einer AHS unterrichtet habe, ist das tatsächlich ein großer Unterschied: Man hört mir hier viel lieber zu, traut sich freier Fragen zu stellen - und ich muss niemanden bewerten oder nach Noten einteilen. Schulnoten werden dem tatsächlichen Einsatz von Schüler:innen oft nicht gerecht und wirken dann vielfach demotivierend. Und wieso sollte man sich denn anstrengen, wenn es ohnehin normal ist, in Mathe und Physik schlecht zu sein.
Bei unseren Workshops mit Kindern mache ich hingegen oft die Erfahrung, dass auch Kinder, denen man es nicht zutrauen würde, auf einmal so richtig interessiert sind und viele Fragen stellen. Wichtig scheint mir, alle Fragen ernst zu nehmen und so gut wie möglich zu beantworten. Manche Fragen kann man auch nicht beantworten (Was passiert denn nun mit einem Atom, das in ein Schwarzes Loch fällt?). Diese Tatsache ehrlich zu kommunizieren und zu sagen: „Siehst du wie gut deine Frage ist? Viele Physiker zerbrechen sich gerade den Kopf darüber, darauf eine Antwort zu finden!“ macht Kinder erst zusätzlich neugierig – und stolz. Nicht selten höre ich dann „Das heißt, wenn ich die Antwort herausfinde, dann wäre das wirklich gut?“. Es gibt in meinen Augen tatsächlich keine dumme Fragen! Wir haben Schulklassen mit Kindern mit Migrationshintergrund, Sonderschulen und Private Gymnasien die uns besuchen – großes Interesse und Träume kann man bei all diesen Kindern finden. Zuallererst ist es wichtig, dieses Interesse ernst zu nehmen und zu fördern. Wenn Kinder merken, dass Physik tatsächlich Spaß macht, auf wie viele Wege man sich der Physik nähern kann und dass es dabei oft darum geht etwas einfach einmal zu probieren trauen sie sich mehr zu und blühen manchmal richtig auf.
Julia Weratschnig ist Vorstandsmitglied bei der Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik (Link), aktives Mitglied beim Österreichischen Weltraum Forum (Link) und arbeitet in nationalen Arbeitsgruppen der Internationalen Astronomischen Union (Link) im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Bildung. Wenn Sie mehr über sie uns ihre Arbeit erfahren möchten, hier der Link zur VEGA Sternwarte Haus der Natur.
April 2024
Susanne Neumann, Physiklehrerin und -didaktikerin
Über mich und meine Arbeit
Ich unterrichte seit mittlerweile 20 Jahren Physik an einer Wiener AHS. Von Anfang an war es mir wichtig, nicht nur meinen eigenen Unterricht weiterzuentwickeln, sondern auch die Vernetzung von Physiklehrkräften untereinander zu fördern. Nach einer fachdidaktischen Dissertation bei Prof. Martin Hopf, in der ich der Frage nachging, wie wir das Thema "Strahlung" besser unterrichten könnten, war ich in der Aus- und Weiterbildung von Physiklehrkräften tätig. Mein Ziel, Physiklehrkräfte durch Vernetzung zu unterstützen, verfolge ich momentan als Leiterin der Arbeitsgemeinschaft der Physiklehrer*innen. Allen neuen Lehrkräften rate ich, mit der ARGE-Leitung in ihrem Bundesland (https://ph.schule.at/portale/physik/arge.html) in Kontakt zu treten und regelmäßig Fortbildungen zu besuchen. Viele Herausforderungen in den ersten Jahren lassen sich besser bewältigen, wenn man gemeinsam daran arbeitet.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Der Physikunterricht spielt hier wohl eine zentrale Rolle. Es ist unsere Aufgabe als Physiklehrkräfte, einen lebensnahen Unterricht zu gestalten, der an den Interessen ALLER Schülerinnen ausgerichtet ist. Ebenso wichtig ist es, das Selbstkonzept insbesondere unserer Schülerinnen zu stärken. Noch immer werden die naturwissenschaftlichen Interessen vieler Schülerinnen zu wenig gesehen und gefördert, viele Eltern ziehen berufliche Werdegänge im naturwissenschaftlich-technischen Bereich für ihre Töchter gar nicht erst in Betracht. Wir Lehrkräfte können hier unterstützend wirken, indem wir möglichst viele Schülerinnen für die Naturwissenschaft begeistern und ihr Selbstbewusstsein stärken, in diesem Fach gute Leistungen erreichen zu können.
Susanne Neumann ist stellvertretende Vorsitzende des ÖPG Arbeitskreises "Physik und Schule (LHS)".
März 2024
Birgitta Schultze-Bernhardt, Universitätsprofessorin für Experimentalphysik an der Technischen Universität Graz
Über mich und meine Arbeit
Meine Forschung befasst sich mit Laserspektroskopie, bei der ich die Licht-Materie-Wechselwirkung nutze, um optische Eigenschaften und physikalische Prozesse in unterschiedlichsten Proben genauer zu charakterisieren. Wir benutzen in meiner Arbeitsgruppe „Coherent Sensing“ dazu Frequenzkämme, die eine hohe spektrale und eine hohe zeitliche Auflösung erlauben. Im Rahmen eines ERC Starting Grants untersuchen wir einerseits die ultraschnelle Elektronendynamik bei licht-induzierten Prozessen. Andererseits entwickeln wir unsere Methoden über ein FWF START Projekt für die Atmosphärenforschung weiter und haben jüngst den Konzentrationsverlauf von Stickstoffdioxid in der Grazer Stadtatmosphäre minutengenau beobachtet.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Die Einrichtung von zusätzlichen wissenschaftlichen Stellen, wie die Frauenlaufbahnstellen, tragen auch dazu bei, den Anteil von Wissenschaftlerinnen in der Physik weiter auszubauen. Generell sollten zusätzliche Angebote für mehr Chancengleichheit sorgen, anstatt eine Quotenregelung, die vorhandene Strukturen und Qualitäten beschneidet. Bestimmte Quoten können aber auch sinnvoll sein: Bei gemeinschaftlichen Anträgen beim FWF soll z. B. ein Drittel des Konsortiums dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören. So werden neue Kollaborationen mit Kolleginnen möglich, die vielleicht aufgrund von Automatismen an der Fakultät nicht berücksichtigt worden wären. Die akademische Leistung sollte generell nicht in Relation zum Lebensalter, sondern in Bezug zum wissenschaftlichen Alter beurteilt werden. So wird die Qualifikation von Müttern oder BewerberInnen, die wegen Betreuungs- oder Pflegezeiten Karriereunterbrechungen hatten, fairer eingeschätzt.
Aus meiner Erfahrung mit kleinen Kindern weiß ich, dass eine gute und ausreichende Kinderbetreuung eine wesentliche Voraussetzung ist, um als Wissenschaftlerin mit Familie ernsthaft arbeiten zu können. In den letzten Jahren hat sich bei der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie viel getan: während ich vor 9 Jahren bei einer Laserkonferenz mit Batch und Baby nicht eingelassen wurde, wird mittlerweile bei manchen Konferenzen Kinderbetreuung angeboten. Ab und zu ist es nicht anders möglich, als sein Kind zu einer Besprechung mitzunehmen. In meinem Fall habe ich hier nur positive Erfahrungen gemacht – an den letzten drei Universitäten, an denen ich in tätig war, war das nie ein Problem. Vielleicht kann meine Erfahrung eine Kollegin dazu ermutigen, dies bei Bedarf oder in der Not auch zu machen – hoffentlich mit ähnlich positiven Reaktionen.
Birgitta Schultze-Bernhardt ist seit 2021 Mitglied der Jungen Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Link). Wenn Sie mehr über sie und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zur Institutswebsite.
Februar 2024
Santa Pile, Postdoc für Halbleiter- und Festkörperphysik an der JKU Linz
Über mich und meine Forschung
Ich bin derzeit Hauptforscherin in einem unabhängigen Forschungsprojekt, das vom FWF im Rahmen des ESPRIT-Programms (ESP 4) gefördert wird. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf einem grundlegenden Verständnis der dynamischen magnetischen Eigenschaften von eingeschlossenen Strukturen, da dies eine Voraussetzung für die Entwicklung von nanoskaligen magnonischen (spinwellenbasierten) Rechengeräten ist. Als Ergebnis meiner Doktorarbeit wurde gezeigt, dass die Geometrie von Bauteilen möglicherweise genutzt werden kann, um Spinwellen zu manipulieren. Im Rahmen des aktuellen Projekts setze ich meine Forschungen zu diesem Thema im Detail fort. Insbesondere untersuche ich den Einfluss der Form der Vorrichtung systematisch mit einem experimentellen und theoretischen Ansatz, um Spinwellen in begrenzten Strukturen mit einem einfachen Anregungsschema kontrolliert anregen und manipulieren zu können.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Das ist eine sehr schwierige Frage, denn wenn es ein Problem mit der Chancengleichheit in der Physik gibt, dann ist das eine Folge der allgemeinen Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zum Beispiel hat sich über mehrere Generationen hinweg herausgebildet und viele Stereotypen und falsche Vorstellungen bei allen Geschlechtern hervorgebracht, die uns von klein auf aufgezwungen werden. Die Aufgabe, Chancengleichheit zu schaffen, nicht nur für verschiedene Geschlechter, sondern auch für Menschen mit unterschiedlichen körperlichen Fähigkeiten, unterschiedlicher Nationalität usw., ist recht komplex und sollte aus vielen Blickwinkeln angegangen werden. Glücklicherweise wird in dieser Hinsicht bereits viel getan, vor allem in Österreich. Mir gefällt zum Beispiel der Kurs Gender Studies, der an unserer Universität verpflichtend ist. Dieser Kurs hilft wirklich, ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen und regt zum Nachdenken an.
Was genau getan werden kann: Ich denke, dass die höchste Priorität darin besteht, unsere Wahrnehmung zu ändern und bei der Verteilung der Chancen die beruflichen Qualitäten in den Vordergrund zu stellen. Was das Geschlecht betrifft, so würde ich persönlich es im Idealfall vorziehen, wenn mein Geschlecht bei der Arbeit/Schule/Universität nicht hervorgehoben oder in irgendeiner Weise bemerkt wird, da es nicht relevant sein sollte. Wenn es um andere einschränkende Faktoren geht, die zu ungleichen Chancen führen könnten, würde ich in Erwägung ziehen, unsere Forschung und unsere Einrichtungen so zugänglich wie möglich für ein breiteres Spektrum von Menschen zu machen.
Wenn es um geschlechtsspezifische Diskriminierung geht, hier eines der offensichtlichsten Beispiele: In der Schule wurde ich nur wegen meines Geschlechts (der Lehrer war männlich) aus dem Informatikunterricht, in dem es um Programmierung ging, geworfen. Trotzdem gelang es mir später, das Programmieren zu erlernen, und ich wollte es an der Universität weiter studieren, aber eine andere, ebenfalls weibliche Lehrerin riet mir dringend davon ab, weil sie die Erfahrung gemacht hatte, dass Programmierer in der Branche stark diskriminiert werden. Das ist in der Tat nur ein offensichtliches Beispiel, denn es gibt eine Menge anderer kleiner Dinge, die Frauen beim Aufwachsen und Studieren erleben und die unbemerkt bleiben können, aber unsere Selbstwahrnehmung beeinflussen. Aber ich will hier nicht ins Detail gehen, dafür haben wir ja zum Glück die Gender Studies 😀
Santa Pile ist die Vorsitzende des AK Young Minds der ÖPG (Link). Wenn Sie mehr über sie und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zur Institutswebsite.
Jänner 2024
Karin Hain, Assistenzprofessorin für Isotopenphysik an der Universität Wien
Über mich und meine Forschung
Ich bin seit August 2022 Assistenzprofessorin für Isotopenphysik an der Universität Wien. Ziel meiner stark interdisziplinären Forschung ist es, die Ausbreitungswege von langlebigen Radioisotopen zu bestimmen, welche vom Menschen in die Umwelt freigesetzt wurden. Geeignete Radioisotope sollen als Marker verwendet werden, um Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen. Dazu muss die hochempfindliche Detektionstechnik der Beschleuniger-Massenspektrometrie weiterentwickelt werden, die am Vienna Environmental Research Accelerator (VERA) einschließlich der weltweit einzigartigen Instrumentierung für Laser-Ionen-Wechselwirkung zur Verfügung steht.
Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?
Meiner Ansicht nach ist es äußerst wichtig, dass vor allem für die akademische Laufbahn mehr Planungssicherheit geschaffen wird, die es ermöglicht Familienplanung und Karriere zu vereinen. Dies umfasst zum einen das Erweitern des Angebotes an langfristigen Karriereperspektiven, wie z.B. Tenure Track Positionen, aber auch mehr Flexibilität bei befristeten Drittmittel finanzierten Stellen.
Aufgrund eigener Erfahrungen möchte ich an die gesellschaftliche Verantwortung appellieren, das Interesse an Naturwissenschaften als Teil des Selbstverständnisses junger Frauen weiter zu etablieren und sie darin aktiv zu bestärken. Zu meiner Schulzeit haben sich die meisten Mitschülerinnen darin bestärkt, „dass man als Mädchen Mathematik (und Physik) ohnehin nicht kann“. Erfreulicherweise ist hier ein allmählicher Wandel zu beobachten.
Karin Hain hat 2020 den Fritz Kohlrausch-Preis für Nachwuchsphysiker*innen der ÖPG erhalten. Wenn Sie mehr über sie und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zur Arbeitsgruppe (Leitung Prof. Golser).