Physikerin des Monats

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November 2025

Ursula Palfinger, Physikerin am Institut MATERIALS (Institut für Sensorik, Photonik und Fertigungstechnologien) der JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft

© Ursula Palfinger

Über mich und meine Arbeit

Ich war schon als Kind daran interessiert, wie Dinge funktionieren. Meine Eltern haben mir zum Glück nur selten verboten, einen Videorekorder aufzuschrauben oder eine Computerdiskette auseinanderzuschneiden. Ich hatte eine inspirierende Physiklehrerin in der Schule, und in meinem Umfeld wurde nie in Frage gestellt, dass man als Frau einen technischen Weg einschlagen kann.

Nach der Matura habe ich an der Karl-Franzens-Universität Graz Physik (und nebenher ein bisschen Astronomie) studiert, wobei meine Leidenschaft immer im Experimentellen lag: Proben herstellen, Effekte sichtbar machen, Werte messen, Auswirkungen erforschen. Während meiner Diplomarbeit kam ich erstmals mit Mikro- und Nanostrukturierung in Kontakt. In meinem anschließenden Doktoratsstudium – betreut durch Ao. Prof. Dr. Joachim Krenn (Uni Graz) und Dr. Barbara Stadlober (JOANNEUM RESEARCH) – befasste ich mich mit neuen Methoden zur Herstellung feinster Strukturen für druckbare Elektronikbauteile und mit dem Wachstum organischer Halbleiter.

Seit knapp 25 Jahren bin ich nun bei JOANNEUM RESEARCH MATERIALS in Weiz in der Forschungsgruppe „Hybrid Electronics and Patterning“ als Physikerin und Projektleiterin tätig. Wir verwenden Mikro- und Nano-Prägeprozesse, um Oberflächen mit Strukturen auszustatten. Je nach Größe, Strukturart und Material ergeben sich dadurch veränderte Eigenschaften. Wasser kann beispielsweise sehr leicht oder gar nicht ablaufen, die Oberfläche kann durch eine Struktur wenig oder viel Strömungswiderstand haben, Licht streuen, reflektieren oder bündeln. Die Anwendungen sind vielfältig und finden sich in Beleuchtungselementen und Displays (Blendreduktion oder Gestaltung einer Abstrahlcharakteristik), in biomedizinischen Sensoren (optisches Auslesen oder mikrofluidischer Transport) oder auch in der Luftfahrt (Effizienz-Erhöhung und Treibstoff-Ersparnis).

Technisch liegt mein Hauptaufgabengebiet in der Replikation von Strukturen, die in vielen Fällen aufgrund ihrer Komplexität zunächst nur auf kleinen Flächen hergestellt werden können. Mithilfe von sogenannten Step&Repeat-Prägeverfahren werden diese auf industriell relevante Maßstäbe hochskaliert. Ich leite nationale und internationale Forschungs- und Industrieprojekte in diesem Themengebiet.

Weiters darf ich Mama von zwei tollen Jugendlichen sein, deren vielfältige Interessensgebiete kaum unterschiedlicher sein könnten. Als Eltern ist uns wichtig, sie darin zu bestärken, dass ihnen jedes Thema und jede spätere Berufsrichtung offensteht.

Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?

Chancengleichheit in naturwissenschaftlichen Berufen beginnt lange vor dem ersten Forschungsprojekt – nämlich dort, wo Kinder und Jugendliche die Welt entdecken, sich für Natur und Technik interessieren und in der Schule mit Physik und Chemie in Kontakt kommen. Meist unterliegen diese Fächer dem Vorurteil, kompliziert und trocken zu sein. Ich denke, Mädchen schreckt ein solcher Ruf eventuell eher ab als Jungen und schnell entsteht Resignation. Es braucht hier interessierte Eltern, inspirierende LehrerInnen, aber auch räumliche Voraussetzungen an den Schulen mit gut ausgestatteten Arbeitsplätzen, an denen SchülerInnen unter Anleitung selbständig arbeiten können. Viel Praxis und Erleben statt nur zusehen; notwendige Formeln nicht nur auswendig, sondern vor allem verstehen lernen. Technisches Interesse wird außerdem durch entsprechende Vorbilder und Austauschmöglichkeiten (Ferienprogramme, Workshops, Netzwerke) gefördert. In Studium und Beruf braucht es transparente Auswahlverfahren, eine gezielte Unterstützung junger Talente und eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch in höheren Karrierestufen. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen.

Forschung lebt stark von Kommunikation und Austausch im Team. Wird Talente-Vielfalt als Motor gesehen und werden Menschen entsprechend ihrer Stärken eingesetzt, entsteht echter Drive. Die besten Ideen entstehen nicht dort, wo alle gleich denken, sondern dort, wo unterschiedliche Perspektiven konstruktiv aufeinandertreffen. Chancengleichheit ist also kein „Nice-to-have“, sondern ein echter Gewinn für die Physik und allgemein die Forschung und Entwicklung.

In unserer Forschungsgruppe – unter rein weiblicher Führung, was durchaus eine Ausnahme darstellt – wird dieses Prinzip wirklich gelebt und der Erfolg spricht für sich. Jedoch bin ich auch schon in wissenschaftlichen Symposien mit 150 Männern und außer mir vielleicht noch weiteren 5 Frauen gesessen, wo einem der niedrige Frauenanteil in höheren wissenschaftlichen Positionen wiederum sehr bewusst wird.

Frauen und Männer eignen sich definitiv gleichermaßen für naturwissenschaftlich-technische Ausbildungen und Berufe – mehr noch, sie ergänzen sich in Forscherteams hervorragend. Gerade in der Forschung lässt sich im Rahmen von Gleitzeit oder anderen flexiblen Arbeitszeitmodellen grundsätzlich eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Leitungspositionen mit fachlichen und wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten gehen allerdings immer noch oft mit All-inclusive-Verträgen, hohem Arbeitszeit-Commitment und Reisebereitschaft einher, was einer guten Balance zum Familienleben durchaus entgegenstehen kann. Hier wäre die Offenheit von wissenschaftlichen Instituten und Unternehmen für neue Modelle wie beispielsweise geteilte Führungspositionen wünschenswert.

Je höher der weibliche Anteil in technischen Ausbildungen und Berufsrichtungen ist, desto eher können wir hier gemeinsam für weitere Entwicklungen sorgen. Ich möchte junge Frauen mit Interesse auf jeden Fall ermutigen, diesen Weg einzuschlagen und die Zukunft mitzugestalten.

„Ich gehöre nicht zu denen, die an Wunder glauben, aber ich glaube an Neugier und Entschlossenheit.“ Marie Curie (Nobelpreisträgerin 1903 (Physik) und 1911 (Chemie))

Wenn Sie mehr über Ursula Palfinger und ihre Arbeit erfahren möchten, finden Sie hier den Link zu ihrem Websiteprofil bei Joanneum Research, hier ihr LinkedIn-Profil, hier einen Artikel ihrer Arbeit auf der Website des BMIMI sowie hier den Link zur Arbeitsgruppe, in der sie arbeitet.