Physikerin des Monats

Sie sind Physikerin und möchten gerne sich und Ihre Forschung vorstellen? Scheuen Sie nicht, uns unter chancengleichheit@oepg.at zu schreiben!

April 2024

© Susanne Neumann

Über mich und meine Arbeit

Ich unterrichte seit mittlerweile 20 Jahren Physik an einer Wiener AHS. Von Anfang an war es mir wichtig, nicht nur meinen eigenen Unterricht weiterzuentwickeln, sondern auch die Vernetzung von Physiklehrkräften untereinander zu fördern. Nach einer fachdidaktischen Dissertation bei Prof. Martin Hopf, in der ich der Frage nachging, wie wir das Thema "Strahlung" besser unterrichten könnten, war ich in der Aus- und Weiterbildung von Physiklehrkräften tätig. Mein Ziel, Physiklehrkräfte durch Vernetzung zu unterstützen, verfolge ich momentan als Leiterin der Arbeitsgemeinschaft der Physiklehrer*innen. Allen neuen Lehrkräften rate ich, mit der ARGE-Leitung in ihrem Bundesland (https://ph.schule.at/portale/physik/arge.html) in Kontakt zu treten und regelmäßig Fortbildungen zu besuchen. Viele Herausforderungen in den ersten Jahren lassen sich besser bewältigen, wenn man gemeinsam daran arbeitet. 

Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?

Der Physikunterricht spielt hier wohl eine zentrale Rolle. Es ist unsere Aufgabe als Physiklehrkräfte, einen lebensnahen Unterricht zu gestalten, der an den Interessen ALLER Schülerinnen ausgerichtet ist. Ebenso wichtig ist es, das Selbstkonzept insbesondere unserer Schülerinnen zu stärken. Noch immer werden die naturwissenschaftlichen Interessen vieler Schülerinnen zu wenig gesehen und gefördert, viele Eltern ziehen berufliche Werdegänge im naturwissenschaftlich-technischen Bereich für ihre Töchter gar nicht erst in Betracht. Wir Lehrkräfte können hier unterstützend wirken, indem wir möglichst viele Schülerinnen für die Naturwissenschaft begeistern und ihr Selbstbewusstsein stärken, in diesem Fach gute Leistungen erreichen zu können. 

Susanne Neumann ist stellvertretende Vorsitzende des ÖPG Arbeitskreises "Physik und Schule (LHS)".

März 2024

Birgitta Schultze-Bernhardt, Universitätsprofessorin für Experimentalphysik an der Technischen Universität Graz

Birgitta Schultze-Bernhardt
© Birgitta Schultze-Bernhardt

Über mich und meine Arbeit

Meine Forschung befasst sich mit Laserspektroskopie, bei der ich die Licht-Materie-Wechselwirkung nutze, um optische Eigenschaften und physikalische Prozesse in unterschiedlichsten Proben genauer zu charakterisieren. Wir benutzen in meiner Arbeitsgruppe „Coherent Sensing“ dazu Frequenzkämme, die eine hohe spektrale und eine hohe zeitliche Auflösung erlauben. Im Rahmen eines ERC Starting Grants untersuchen wir einerseits die ultraschnelle Elektronendynamik bei licht-induzierten Prozessen. Andererseits entwickeln wir unsere Methoden über ein FWF START Projekt für die Atmosphärenforschung weiter und haben jüngst den Konzentrationsverlauf von Stickstoffdioxid in der Grazer Stadtatmosphäre minutengenau beobachtet.

Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?

Die Einrichtung von zusätzlichen wissenschaftlichen Stellen, wie die Frauenlaufbahnstellen, tragen auch dazu bei, den Anteil von Wissenschaftlerinnen in der Physik weiter auszubauen. Generell sollten zusätzliche Angebote für mehr Chancengleichheit sorgen, anstatt eine Quotenregelung, die vorhandene Strukturen und Qualitäten beschneidet.  Bestimmte Quoten können aber auch sinnvoll sein: Bei gemeinschaftlichen Anträgen beim FWF soll z. B. ein Drittel des Konsortiums dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören. So werden neue Kollaborationen mit Kolleginnen möglich, die vielleicht aufgrund von Automatismen an der Fakultät nicht berücksichtigt worden wären. Die akademische Leistung sollte generell nicht in Relation zum Lebensalter, sondern in Bezug zum wissenschaftlichen Alter beurteilt werden. So wird die Qualifikation von Müttern oder BewerberInnen, die wegen Betreuungs- oder Pflegezeiten Karriereunterbrechungen hatten, fairer eingeschätzt.

Aus meiner Erfahrung mit kleinen Kindern weiß ich, dass eine gute und ausreichende Kinderbetreuung eine wesentliche Voraussetzung ist, um als Wissenschaftlerin mit Familie ernsthaft arbeiten zu können. In den letzten Jahren hat sich bei der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie viel getan: während ich vor 9 Jahren bei einer Laserkonferenz mit Batch und Baby nicht eingelassen wurde, wird mittlerweile bei manchen Konferenzen Kinderbetreuung angeboten. Ab und zu ist es nicht anders möglich, als sein Kind zu einer Besprechung mitzunehmen. In meinem Fall habe ich hier nur positive Erfahrungen gemacht – an den letzten drei Universitäten, an denen ich in tätig war, war das nie ein Problem. Vielleicht kann meine Erfahrung eine Kollegin dazu ermutigen, dies bei Bedarf oder in der Not auch zu machen – hoffentlich mit ähnlich positiven Reaktionen.  

Birgitta Schultze-Bernhardt ist seit 2021 Mitglied der Jungen Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Link). Wenn Sie mehr über sie und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zur Institutswebsite.

Februar 2024

Santa Pile, Postdoc für Halbleiter- und Festkörperphysik an der JKU Linz

Santa Pile
© Santa Pile

Über mich und meine Forschung

Ich bin derzeit Hauptforscherin in einem unabhängigen Forschungsprojekt, das vom FWF im Rahmen des ESPRIT-Programms (ESP 4) gefördert wird. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf einem grundlegenden Verständnis der dynamischen magnetischen Eigenschaften von eingeschlossenen Strukturen, da dies eine Voraussetzung für die Entwicklung von nanoskaligen magnonischen (spinwellenbasierten) Rechengeräten ist. Als Ergebnis meiner Doktorarbeit wurde gezeigt, dass die Geometrie von Bauteilen möglicherweise genutzt werden kann, um Spinwellen zu manipulieren. Im Rahmen des aktuellen Projekts setze ich meine Forschungen zu diesem Thema im Detail fort. Insbesondere untersuche ich den Einfluss der Form der Vorrichtung systematisch mit einem experimentellen und theoretischen Ansatz, um Spinwellen in begrenzten Strukturen mit einem einfachen Anregungsschema kontrolliert anregen und manipulieren zu können.

Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?

Das ist eine sehr schwierige Frage, denn wenn es ein Problem mit der Chancengleichheit in der Physik gibt, dann ist das eine Folge der allgemeinen Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zum Beispiel hat sich über mehrere Generationen hinweg herausgebildet und viele Stereotypen und falsche Vorstellungen bei allen Geschlechtern hervorgebracht, die uns von klein auf aufgezwungen werden. Die Aufgabe, Chancengleichheit zu schaffen, nicht nur für verschiedene Geschlechter, sondern auch für Menschen mit unterschiedlichen körperlichen Fähigkeiten, unterschiedlicher Nationalität usw., ist recht komplex und sollte aus vielen Blickwinkeln angegangen werden. Glücklicherweise wird in dieser Hinsicht bereits viel getan, vor allem in Österreich. Mir gefällt zum Beispiel der Kurs Gender Studies, der an unserer Universität verpflichtend ist. Dieser Kurs hilft wirklich, ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen und regt zum Nachdenken an.

Was genau getan werden kann: Ich denke, dass die höchste Priorität darin besteht, unsere Wahrnehmung zu ändern und bei der Verteilung der Chancen die beruflichen Qualitäten in den Vordergrund zu stellen. Was das Geschlecht betrifft, so würde ich persönlich es im Idealfall vorziehen, wenn mein Geschlecht bei der Arbeit/Schule/Universität nicht hervorgehoben oder in irgendeiner Weise bemerkt wird, da es nicht relevant sein sollte. Wenn es um andere einschränkende Faktoren geht, die zu ungleichen Chancen führen könnten, würde ich in Erwägung ziehen, unsere Forschung und unsere Einrichtungen so zugänglich wie möglich für ein breiteres Spektrum von Menschen zu machen.

Wenn es um geschlechtsspezifische Diskriminierung geht, hier eines der offensichtlichsten Beispiele: In der Schule wurde ich nur wegen meines Geschlechts (der Lehrer war männlich) aus dem Informatikunterricht, in dem es um Programmierung ging, geworfen. Trotzdem gelang es mir später, das Programmieren zu erlernen, und ich wollte es an der Universität weiter studieren, aber eine andere, ebenfalls weibliche Lehrerin riet mir dringend davon ab, weil sie die Erfahrung gemacht hatte, dass Programmierer in der Branche stark diskriminiert werden. Das ist in der Tat nur ein offensichtliches Beispiel, denn es gibt eine Menge anderer kleiner Dinge, die Frauen beim Aufwachsen und Studieren erleben und die unbemerkt bleiben können, aber unsere Selbstwahrnehmung beeinflussen. Aber ich will hier nicht ins Detail gehen, dafür haben wir ja zum Glück die Gender Studies 😀

Santa Pile ist die Vorsitzende des AK Young Minds der ÖPG (Link). Wenn Sie mehr über sie und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zur Institutswebsite.

Jänner 2024

Karin Hain, Assistenzprofessorin für Isotopenphysik an der Universität Wien

Karin Hain
© Karin Hain

Über mich und meine Forschung

Ich bin seit August 2022 Assistenzprofessorin für Isotopenphysik an der Universität Wien. Ziel meiner stark interdisziplinären Forschung ist es, die Ausbreitungswege von langlebigen Radioisotopen zu bestimmen, welche vom Menschen in die Umwelt freigesetzt wurden. Geeignete Radioisotope sollen als Marker verwendet werden, um Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen. Dazu muss die hochempfindliche Detektionstechnik der Beschleuniger-Massenspektrometrie weiterentwickelt werden, die am Vienna Environmental Research Accelerator (VERA) einschließlich der weltweit einzigartigen Instrumentierung für Laser-Ionen-Wechselwirkung zur Verfügung steht.

Was kann man für mehr Chancengleichheit in der Physik tun?

Meiner Ansicht nach ist es äußerst wichtig, dass vor allem für die akademische Laufbahn mehr Planungssicherheit geschaffen wird, die es ermöglicht Familienplanung und Karriere zu vereinen. Dies umfasst zum einen das Erweitern des Angebotes an langfristigen Karriereperspektiven, wie z.B. Tenure Track Positionen, aber auch mehr Flexibilität bei befristeten Drittmittel finanzierten Stellen.

Aufgrund eigener Erfahrungen möchte ich an die gesellschaftliche Verantwortung appellieren, das Interesse an Naturwissenschaften als Teil des Selbstverständnisses junger Frauen weiter zu etablieren und sie darin aktiv zu bestärken. Zu meiner Schulzeit haben sich die meisten Mitschülerinnen darin bestärkt, „dass man als Mädchen Mathematik (und Physik) ohnehin nicht kann“. Erfreulicherweise ist hier ein allmählicher Wandel zu beobachten.

Karin Hain hat 2020 den Fritz Kohlrausch-Preis für Nachwuchsphysiker*innen der ÖPG erhalten. Wenn Sie mehr über sie und ihre Forschung erfahren möchten, hier der Link zur Arbeitsgruppe (Leitung Prof. Golser).